Kalendergeschichten aus Würzburg - eine populäre Literaturgattung

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Onlinevortrag

Hochfürstlich-wirzburgischer neu verbesserter ordinari Stadt- und Land-Kalender (UB Würzburg, 52/Rp 5,54)

Im Zuge der Aufklärung verändern sich auch in Würzburg die Inhalte, die in den populären Volkskalendern abgedruckt werden. Überwiegen in den Kalendern bis in die Mitte der 1770er Jahre historische Erzählungen, Kriegsschilderungen und Reisebeschreibungen, so dominieren um 1780 ökonomische Themen. Der Kalender wird in der Aufklärungszeit zu einem beliebten Medium des „Infotainment“: Die Kalendergeschichten vermitteln dem „gemeinen Mann“ auf anschauliche und unterhaltsame Art und Weise die neuesten Erkenntnisse vor allem über die moderne Landwirtschaft. Themen wie der Kleeanbau, die rechte Verwendung des „Dungs“, alles Wissenswerte über den Anbau und die Verwendung der Kartoffel oder über Tierkrankheiten finden, niederschwellig aufbereitet, Eingang in die Kalender. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wendet man sich in den Kalendergeschichten dann wieder anderen Themen zu: Erzählungen über lokale Begebenheiten in und um Würzburg oder kurzweilige Geschichten mit moralisierenden Inhalten lösen die Berichte mit ökonomischen Schwerpunkten ab.

 

Der hinkende Wahrsager-Both, das ist: Allgemeiner Würtzburger und des Herzogthums Francken neu-verfertigter historischer Geschichten-Kalender; „Der hinckende wahrsager Both“ (UB Würzburg: 52/Franc. 1671)

In den Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Würzburg befindet sich die umfangreichste Sammlung solcher Kalender in Unterfranken. In der Führung werden ausgewählte Kalender aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts unter folgenden Aspekten vorgestellt: Welche Themen werden vermittelt? Wie werden die Themen literarisch dargeboten? Inwiefern unterscheiden sich die in Würzburg entstandenen Kalender voneinander? Wer waren die Kalender“männer“ und wer druckte sie? Entdecken Sie, auf welche Weise Alltagswissen im „Würzburg zur Zeit Mozarts“ durch die populäre Literaturgattung der Kalendergeschichten vermittelt wurde.

  • vierte Veranstaltung der Vortragsreihe „Würzburg zur Zeit Mozarts“ (Nachholtermin)
  • Dieser Vortrag findet in digitaler Form über Zoom statt. Alle angemeldeten Personen erhalten am Tag des Vortrags den Zugangslink per E-Mail.
  • Anmeldung erforderlich bis zum 9. September 2021 (schriftlich, per E-Mail unter info@freunde-mainfranken.de oder über unsere Homepage).
  • Anmerkung zu Veranstaltungen der „Freunde“ unter den Bedingungen der Corona-Pandemie finden Sie hier.

 

Nachbericht zur Veranstaltung

Am 11. September konnte der vierte Vortrag unserer Veranstaltungsreihe „Würzburg zur Zeit Mozarts“ nachgeholt werden. Der Vortrag wurde im Juni verschoben, um möglicherweise doch noch eine Präsenzveranstaltung zu ermöglichen. Dies war zwar nicht möglich, doch glücklicherweise konnte Frau Dr. Katharina Boll-Becht auch online Seiten der von ihr ausgewählten Kalender präsentieren, die eigens für den Vortrag digitalisiert worden waren. Sie präsentierte zwei Kalenderreihen, von denen sich einige Exemplare im Vereinsbesitz der „Freunde“ befinden: den „Würzburger Stadt- und Land-Kalender“, der mehr als 100 Jahre lang erschien sowie den Kalender „Der hinkende Wahrsager-Both“, der in veränderter Form bis heute existiert. Frau Boll-Becht berichtete von dem Kalender als Massenmedium. Denn auch für einfache Bauern war ein Kalender gut erschwinglich und obwohl ein Drittel der Bevölkerung am Ende des 18. Jahrhunderts nicht lesen konnte, gab es schon Auflagenzahlen von 15.000 - 16.000. Diese Zahlen stiegen bis zum 19. Jahrhundert noch stark an; der teils schlechte Erhaltungszustand der Kalender zeugt von starker Nutzung.

Genutzt wurde das Massenmedium unter anderem, um der Bevölkerung Wissen zu vermitteln. So richtete sich der Fokus im 18. Jahrhundert stark auf die Landwirtschaft. Frau Boll-Becht zeigte Ausschnitte aus den beiden genannten Kalenderreihen, in denen ausführlich der Kleeanbau auf sonst brachliegenden Feldern als Tierfutter beschrieben wird, und wie das neue Futter dann zu verfüttern sei. Dabei gab es sachbuchartige Beschreibungen, die keine Details vermissen ließen, aber auch die Vermittlung von Kenntnissen durch Dialoge oder mittels der Ich-Erzählung eines Bauern.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Frau Dr. Boll-Becht für den spannenden Vortrag sowie bei allen Teilnehmern, die online dabei waren und sich danach an der regen Diskussion beteiligt haben.

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