Kunst- und Kulturgeschichte Mainfrankens im Jubiläumsband
Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. (Hrsg.): Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 75
Auch in seinem neuesten Band widmet sich das Mainfränkische Jahrbuch wieder verschiedenen interessanten Themen aus der Kunst- und Kulturgeschichte Mainfrankens in insgesamt dreizehn wissenschaftlichen Beiträgen. Es handelt sich jedoch um einen besonderen Jubiläumsband, denn der Verein der Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. feierte 2023 sein 75-jähriges Bestehen. Deshalb sind in dieser Ausgabe auch die Reden und Grußworte enthalten, die anlässlich der 75-Jahr-Feierlichkeiten auf die Vereinsgeschichte zurückblicken und die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft ansprechen, denen sich der Verein als solcher und die historisch arbeitenden Wissenschaften insgesamt gegenübergestellt sehen.
Historische Schlaglichter aus Zell und Würzburg
In den kultur- und kunsthistorischen Beiträgen des Bandes werden zunächst zwei historische Wappenbücher vorgestellt, in denen Würzburger Domherren vom späten 16. bis ins frühe 19. Jahrhundert mit ihren Wappen und Stammbäumen verzeichnet sind. Ihnen folgen architekturgeschichtliche Betrachtungen zu einem Austragshaus in Zell am Main sowie dem Terrassengarten des ebenfalls dort befindlichen Neumann-Palais. Weitere Beiträge widmen sich der fürstbischöflichen Gemäldesammlung im Würzburg des 18. Jahrhunderts, und zeitgenössischen Quellen, die zeigen, welche Eindrücke Reisende vom Leben im Würzburg des ausgehenden Ancien Régime hatten.
Von Malerei, Wallfahrten und Gesellschaftsordnungen
Andere Arbeiten führen die Leser und Leserinnen auf Schloss Seehof in den Weißen Saal und seine opulente Ausstattung oder stellen den flandrischen Maler Johann Baptist de Rüll vor, der unter anderem in Würzburg und Bamberg tätig war. Auch die für ihre Handwerkskunst bekannte Büttner- und Kellermeisterfamilie Huth und ihre Verbindung zum Juliusspital lernt man kennen, ebenso den Künstler Andreas Joseph Chandelle und die Porträts, die er von Mitgliedern der fränkischen Weinhändlerfamilie Wiesen anfertigte. Sakral wird es in zwei Beiträgen zu „Wunderberichten“ anlässlich der Dettelbacher Wallfahrt und zur frühen Geschichte der Wallfahrtskirche in Dimbach. Der Frage nach der Selbstidentifikation von Menschen des 18. und 19. Jahrhunderts wird in einer Arbeit zur „Dreifachzugehörigkeit“ am Beispiel der Stadt Seßlach nachgegangen, und um Lokalpolitik im 17. Jahrhundert geht es im abschließenden Beitrag, der sich mit der Dorfordnung des Bronnbacher Abtes Johann IX. Feixner befasst.
Den Schluss des Jubiläumsbandes bilden Rezensionen und Mitteilungen des Vereins.
Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 75, herausgegeben von Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V., ist mit der ISBN 978-3-949015-07-6 als fadengehefteter Festeinband im Verlag PH.C.W. SCHMIDT erschienen. Der Ladenpreis beträgt 38,60 €, für Mitglieder 17,50 €.
Inge Lippert: Das Hochstift Würzburger Hafnerhandwerk 1455 – 1802. Privilegien, Organisation, Handwerk und Handel (Mainfränkische Studien 92)
In jüngerer Zeit wurde in der Forschung zur Handwerksgeschichte in Unterfranken eine Organisation wieder zum Vorschein gebracht, deren Existenz für lange Zeit nahezu vergessen worden war. Dabei handelt es sich um die fürstbischöflich privilegierte Korporation der Hafner des ehemaligen Hochstifts Würzburg, das Anfang des 19. Jahrhunderts Teil des heutigen Unterfrankens wurde. Der Zusammenschluss der Hafner – heute kennt man diesen Beruf eher unter der Bezeichnung Töpfer – bestand immerhin über den Zeitraum von etwa 350 Jahren. In Band 92 der „Mainfränkischen Studien“ beleuchtet Inge Lippert diesen Teil der Geschichte des Hafnerhandwerks und stellt wesentliches Quellenmaterial vor.
Urkundliche Privilegien der Selbstverwaltung und Gerichtsbarkeit
Lippert beginnt mit einem Blick auf die verschiedenen Briefe und Urkunden, durch die den Hafnern auf dem Gebiet des Hochstifts Würzburg Privilegien zugesprochen wurden. Die älteste Datierung hierzu stammt aus dem Jahr 1455, und von dort spannt sich der Bogen bis 1802. Ausführlich vorgestellt wird ein Urkundentext von 1575, in dem Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn die herausgehobene Stellung bestätigte, die das hochstiftliche Hafnerhandwerk bereits seit der Mitte des vorherigen Jahrhunderts genoss. Die Privilegien der autonomen Selbstverwaltung und der internen Gerichtsbarkeit ermöglichten es der würzburgischen Korporation beispielsweise, Maßnahmen gegen Handwerkskonkurrenz einzuleiten und Verstöße zu verfolgen.
Landesweite Organisation
Das Regelwerk der Hochstift Würzburger Hafner, darunter die Bedingungen zur Aufnahme in die Korporation, wird im Buch ebenso ausführlich dargestellt wie die Struktur der Organisation. Grundsätzlich bestand für jeden Hafner des Hochstifts Würzburg die Pflichtmitgliedschaft. Ausländische Hafner, die auf Hochstiftsgebiet Handel treiben wollten, konnten um Aufnahme in die Korporation ersuchen. Die Mitglieder trafen sich in einer jährlich stattfindenden Versammlung und wählten bei dieser Gelegenheit ihre Vorstandschaft und die Gerichtsschöffen. Diese waren dem Landesherren gegenüber für den rechtmäßigen Umgang mit den Privilegien und für die Einhaltung der Handwerksordnung verantwortlich.
Ein spannender Blick in die mainfränkische Handwerksgeschichte
Auch über das Handwerk selbst und über Warenarten, die aus den ausgewerteten Quellen des 15. bis 18. Jahrhunderts hervorgehen, wird im Buch berichtet. Insgesamt erfährt der Leser in Lipperts umfangreicher Arbeit viel Interessantes zum Leben und zur rechtlichen Stellung der Hafner im Hochstift Würzburg, darunter auch manch überraschenden Fakt. So beeindrucken die Nachrichten über weite Anreisen, die viele Hafer auf sich nahmen, um zu den jährlichen Mitgliederversammlungen zu gelangen oder um per Mainfloß Marktorte anzusteuern. Außerdem liest man davon, dass ein Zeitgenosse um 1800 die Verwaltungsfreiheit der Hafner mit dem Bild eines Staates im Staat in Verbindung brachte. Es handelt sich um ein informatives Buch und einen wertvollen Beitrag zur Geschichte des Handwerks im mainfränkischen Raum.
Inge Lippert: Das Hochstift Würzburger Hafnerhandwerk 1455 – 1802. Privilegien, Organisation, Handwerk und Handel. Band 92 der Mainfränkischen Studien, herausgegeben von „Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. Würzburg“, erschienen im Verlag PH. C. W. SCHMIDT aus Neustadt an der Aisch, ISBN 978-3-949015-06-9, Ladenpreis 32,00 € / für Mitglieder 24,00 €.
- Handwerkskammer für Unterfranken
- Sparkassenstiftung für die Stadt Würzburg
- Stadt Würzburg
- Dr. Ottmar Wolf – Kulturstiftung
- Bezirk Unterfranken
- Bürgerstiftung Würzburg und Umgebung
Eine Konstante in Zeiten vieler Veränderungen
Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst, Band 74
Immer wieder hat es in der Geschichte Zeiten des Umbruchs gegeben. Auch momentan scheint es so, als würde sich vieles, was wir als selbstverständlich betrachten, nachhaltig verändern.
In diesen herausfordernden Zeiten ist das Mainfränkische Jahrbuch für Geschichte und Kunst eine Konstante geblieben, die aus einer Position der Ruhe heraus auf die Epochen der mainfränkischen Geschichte blickt.
In diesem Jahr insgesamt bietet es vierzehn Abhandlungen aus den Bereichen mainfränkischer Landes-, Kultur- und Kunstgeschichte und einen Rezensionsteil, der neue Veröffentlichungen aus den Bereichen der bayerischen und fränkischen Landes- sowie der Kultur- und Kunstgeschichte vorstellt.
Auf den Spuren mainfränkischer Kunst und Architektur
In den ersten Beiträgen des aktuellen 74. Bandes befasst sich Günter Dippold mit dem fränkischen Kunstschreiner Johann Georg Neßtfell (1694-1762) und seinen Arbeiten, Dieter Fauth mit im einstigen Kloster der Prämonstratenserinnen von Unterzell sowie Damian Dombrowski in einem reich bebilderten Aufsatz mit dem Wirken von Giambattista Tiepolo (1696-1770) in der Würzburger Residenz. Die dortige besondere Raumkunst und der verlorengegangene große Kronleuchter aus dem Treppenhaus und seine Rekonstruktion sind Thema von Reiner Schulz‘ ebenfalls bildreicher Untersuchung.
Wendepunkte in der mainfränkischen Geschichte
Auf vergangene Zeiten des Übergangs und des Wandels blicken die beiden Beiträge von Thomas Freller und Christian Naser zurück, indem sie einerseits den Konflikt zwischen katholischer Aufklärung und Gegenaufklärung in der Diözese Würzburg im ausgehenden 18. Jahrhundert untersuchen und andererseits den Gesandtenbau der Würzburger Residenz als Nachfolgebau des Neumannschen Ensembles von Doppeltoranlage und neuem garten gebäu vor dem Hintergrund eines grundlegenden politischen Wandels betrachten.
Erinnerung an dunkle Kapitel in der Vergangenheit
Mit einem dunklen Kapitel der mainfränkischen Geschichte befassen sich der quellenorientierte Beitrag von Tobias Haaf, der das Schicksal des Pfarrverwesers Josef Huber während der NS-Diktatur aufarbeitet, und zwei aufeinander aufbauende Beiträge von Wolfgang Vorwerk: Er macht auf das Schicksal der jüdischen Anstaltsinsassen der einstigen „Heil- und Pflegeanstalt“ in Lohr während der Zeit des Nationalsozialismus aufmerksam.
Demgegenüber wird von Gerhard Luber die öffentliche Erinnerung an die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, den Ersten Weltkrieg, am Alten Gymnasium Würzburg in den 1920er und 1930er Jahren in den Blick genommen.
Nischen fränkischer (Kunst-)Geschichte
In einem quellenreichen Beitrag nimmt sich Walter Stadelmann der Edelfreien von Uffenheim und der frühen Stadtentwicklung des im 12. Jahrhundert erstmals erwähnten Ortes an. Peter Kolb stellt in seinem besonderen, heraldisch ausgerichteten Beitrag die Wappen in der Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Sondheim zu Arnstein in den Mittelpunkt.
Stadt- und Landbaumeister Joseph Greissing und die barocke Stadtbaukunst ist Thema des Aufsatzes von Hans Steidle, und zuletzt liefert Klaus Weyer neue Erkenntnisse zur Lokalisierung des antiken Ortes „Locoritum“ in Unterfranken.
Intensive Spurensuche für ein interessiertes Publikum
Erneut ist es den Autoren gelungen, thematisch vielfältige Beiträge und reich bebilderte Analysen zu verfassen, die von den „Freunden Mainfränkischer Kunst und Geschichte“ in einem anspruchsvollen, überzeugenden Jahrbuch präsentiert werden. Durch die regional- und lokalhistorischen, kultur- und kunstgeschichtlichen Abhandlungen trägt das Mainfränkische Jahrbuch jedes Jahr aufs Neue dazu bei, die Geschichte Mainfrankens auch für ein breites Publikum erlebbar zu machen.
Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst, Band 74 (2022), herausgegeben von den Freunden Mainfränkischer Kunst und Geschichte e. V. in Würzburg, erschienen im Verlag PH.C.W. SCHMIDT aus Neustadt an der Aisch, ISBN 978-3-949015-05-2, Ladenpreis 38,60 €, für Mitglieder 17,50 €.
Robert Seegert: Die Kaskade im Hofgarten zu Veitshöchheim
„Spring-Brunnen und Wasser sind gleichsam die Seele der Gärten und ihre vornehmste Zierde“ (Antoine Joseph Dézallier d’Argenville, Die Gärtnerey, 1731). So bereichern Brunnen und Kaskaden mit ihrem kühlen Nass private wie öffentliche Gärten und Parkanlagen bereits seit der Antike und ziehen die Menschen in ihren Bann.
Auch im Veitshöchheimer Hofgarten wurde in den 1770er Jahren eine großartige Anlage aus Architektur, Skulptur und Wasser geschaffen, die neben dem Parnass zu den wichtigsten Wasserkünsten des Hofgartens zählte. Die Kaskade stellte in ihrer Verbindung aus Wasserspiel und Ruinenarchitektur außerdem eine Besonderheit im Fränkischen Raum dar.
Leider wurde die Kaskade im Hofgarten zu Veitshöchheim am 31. März 1945 durch eine alliierte Fliegerbombe fast vollständig zerstört. Die Kaskade wurde zur Ruine, sodass man heute anhand der Überreste die ursprüngliche Schönheit dieses Kleinods bestenfalls erahnen kann.
Auf den Spuren eines fränkischen Kleinods
Dieses Buch würdigt auf 196 Seiten in Gänze die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Kaskade unter allen wesentlichen kunsthistorischen Gesichtspunkten – auch anhand zahlreicher Abbildungen. Sie wurde vom gartenliebenden Würzburger Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim in Auftrag gegeben und mit Beteiligung der Würzburger Hofkünstler Johann Philipp Geigel, Johann Peter Wagner und Materno Bossi zwischen 1771 und 1776 errichtet.
Die von Autor Robert Seegert als Masterthesis am Institut für Kunstgeschichte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg vorgelegte Arbeit kann als Grundlagenforschung verstanden werden, die sowohl das Wasserspiel als auch die künstlichen Ruinen und den Skulpturenschmuck kunsthistorisch berücksichtigt. Sie präsentiert neben neuen Erkenntnissen zur Baugeschichte und zum komplexen Figurenprogramm auch eine ausführliche Vorbildanalyse. Darüber hinaus wird den künstlerischen Gestaltungsaspekten des Wassers Aufmerksamkeit geschenkt. Abschließend thematisiert der Autor die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Wiederherstellung der Kaskade - nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Gartendenkmalpflege.
Über den Autor Robert Seegert
Der Autor des Werkes über „Die Kaskade im Hofgarten zu Veitshöchheim“, Robert Seegert, wurde 1989 in Luckau (Brandenburg) geboren. Nach einer Ausbildung zum Kirchenmaler in den Jahren 2008 bis 2011 arbeitete er weitere drei Jahre in diesem Berufsfeld. Ab 2014 studierte er Kunstgeschichte und Alte Welt (B.A.) in Würzburg, anschließend absolvierte er ein Masterstudium der Kunstgeschichte an der Würzburger Universität. Seit 2020 ist er als wissenschaftlicher Volontär im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt tätig.
Robert Seegert: Die Kaskade im Hofgarten zu Veitshöchheim – Auf den Spuren eines fränkischen Kleinods (= Mainfränkische Hefte, Band 118), herausgegeben von den Freunden Mainfränkischer Kunst und Geschichte e. V. in Würzburg, erschienen im Verlag PH.C.W. SCHMIDT aus Neustadt an der Aisch, ISBN 978-3-949015-04-5, Ladenpreis 25,00 €.
Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst, Band 73
Das Wechselspiel von Gedanken und Erinnerungen
Das neue Mainfränkische Jahrbuch ist getragen von Gedenken und Geschichte, von Erinnerungen und Wandel. Wodurch verändert sich Geschichte? Wie beeinflusst das Gedenken die Geschichte – oder beeinflusst nicht eher die Geschichte die Art und Weise des Gedenkens? Sorgt der stetige Wandel unserer Kultur, unserer Werte dafür, dass sich Erinnerungen zerfasern, nur noch partiell vorhanden sind?
Mit den insgesamt zwölf Aufsätzen und drei Miszellen des aktuellen 73. Bandes wird die reiche und vielfältige Geschichte Mainfrankens lebendig.
2021 – ein Jahr des Gedenkens
Ein Ereignis, das vor allem die Stadt Würzburg im vergangenen Jahr beschäftigte, war der Tod des ehemaligen Oberbürgermeisters Dr. Klaus Zeitler, weshalb seiner im ersten Teil des 73. Bandes des Mainfränkischen Jahrbuchs gedacht wird. Abgedruckt sind die Trauerrede von Lothar Hartlieb und ein Rückblick von Prof. Dr. Peter Hoeres (Universität Würzburg) auf Klaus Zeitlers Karriere als Politiker und Oberbürgermeister.
Das Jahr 2021 war auch geprägt von vielen Jahrestagen, Erinnerungen und Gedenken an große Persönlichkeiten und Ereignisse der Weltgeschichte. So jährte sich Sophie Scholls Geburtstag zum 100. Mal, man gedachte der Terroranschläge vom 11. September vor 20 Jahren und feierte das ganze Jahr über 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland.
Weltgeschichte aus Mainfranken
In diesem Zusammenhang ist in Würzburg eine kleine Sensation geglückt. Christian Naser konnte jüdisches Leben zu einem Zeitpunkt nachweisen, zu dem es eigentlich keines hätte geben dürfen. Sein Beitrag im Mainfränkischen Jahrbuch handelt von der Entdeckung einer bisher unbekannten mittelalterlichen jüdischen Synagoge, die auch überregional Aufsehen erregte.
Theodor Ruf beschäftigt sich mit den Reliquien der drei Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan, Bernhard Purin schreibt über Tora-Schilder aus Kitzinger Werkstätten des frühen 18. Jahrhunderts und das dortige Gold- und Silberschmiedehandwerk und Werner Heim über die Familie von Espelbach in den Jahren 1182 bis 1350. Wolfgang Vorwerk stellt Überlegungen zum Geburts- und Taufdatum Franz Ludwigs von und zu Erthal, des einstigen Fürstbischofs von Bamberg und Würzburg, an.
Künstlerisches Schaffen als Erinnerung für die Ewigkeit
Zwei Beiträge von Erich Schneider und Franziskus Büll blicken auf das reiche archäologische und künstlerische Erbe in Münsterschwarzach. Sie beschäftigen sich mit dem Fund zweier Sandsteinsäulen und Marmorkapitelle sowie den Gemälden des Tiepolo.
Doch nicht nur die Benediktinerabtei in Münsterschwarzach, auch das einstige Kloster Unterzell der Prämonstratenserinnen in Zell am Main, insbesondere dessen Propst Johannes Zahn, werden von Dieter Fauth betrachtet. Zwei weitere, kunstgeschichtliche Beiträge von Wolfgang Kümper und Reiner Schulz befassen sich in bildreicher Analyse mit Leben und Werk des Malers Georg Abraham Urlaub sowie dem beeindruckenden Werk von Ferdinand Hundt in der Würzburger Residenz.
Biografien und Stammbäume als Blick in die Vergangenheit
Die Leserinnen und Leser bekommen von Hans-Peter Trenschel zudem eine Übersicht der Werke des Würzburger Hofbildhauers Johann Peter Wagner „in der Fremde“ und erfahren von Monika Kraus Details über die letzten, vielleicht schönsten Lebensjahre von Wilhelm Jellinghaus – einem „1848er“ – in Würzburg. Vorgestellt wird von Gerhard Seibold das Stammbuch des Schweinfurter Mediziners Johann Martin Wolff. Mit einem Blick in das „Erthal-Zimmer“ des Lohrer Spessartmuseums, verfasst von Leonhard Tomczyk, und Christian Nasers Analyse der kartellartigen Vereinigung von Würzburger Weinhändlern im 18. Jahrhundert schließt der Aufsatzteil.
Komplettiert wird das Jahrbuch vom Rezensionsteil, der in diesem Jahr 23 Besprechungen, Analysen und Urteile aus den Bereichen der Allgemeinen, der Landes-, Kultur- und Kunstgeschichte umfasst.
Auf den Spuren gelebter Geschichte
Die Autorinnen und Autoren sind intensiv auf Spurensuche gegangen, um dem Anspruch der Mainfränkischen Jahrbücher, facettenreiche und thematisch vielfältige Beiträge zu einem anspruchsvollen und – auch für Nicht-Historiker – interessanten Buch zu machen, gerecht zu werden. Dies ist ihnen in jeden Fall gelungen. Entstanden ist so ein Buch, das mit seiner Vielzahl an regional- und lokalhistorischen, kultur- und kunstgeschichtlichen Beiträgen einen relevanten Beitrag leistet, die Geschichte Mainfrankens auch auf lange Sicht hin greif- und erlebbar zu machen.
Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst, Band 73 (2021), herausgegeben von den Freunden Mainfränkischer Kunst und Geschichte e. V. in Würzburg, erschienen im Verlag PH.C.W. SCHMIDT aus Neustadt an der Aisch, ISBN 978-3-949015-03-8, Ladenpreis 38,60 €, für Mitglieder 17,50 €.
Heiko Braungardt, Der Würzburger Goldschmied Georg Stephan Dörffer (1771–1824), Mainfränkische Studien 91
Dörffer – ein kunstfertiger Kaufmann auf dem „schnellen Markt“ oder ein wahrer Künstler in Gold und Silber? Oder beides? Entscheiden Sie selbst ...
… denn endlich liegt sie als blitzsaubere Publikation im Druck vor, die überarbeitete, ergänzte und 772 Seiten umfassende Version von Braungardts 2013 an der Universität Würzburg eingereichten und seinerzeit mit dem Gedenkpreis der Unterfränkischen Jahresstiftung ausgezeichneten Dissertation – ein Standardwerk zur Würzburger Gold- und Silberschmiedekunst um 1800.
Der ausführlichen Einleitung zu den Forschungsgrundlagen, der Literatur und den Quellen folgt ein Kapitel zum methodischen Vorgehen angesichts der bei den Gold- und Silberschmieden an der Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert zwischen traditionellem Kunsthandwerk und seriell, ja vorindustriell produziertem Kunstgewerbe und der damit latent vorhandenen Problematik eines schwer quantifizierbaren Werks.
Also lotet der Verfasser in Teil A zunächst die Situation der Gold- und Silberschmiede in Würzburg im 18. Jahrhundert zwischen Kunsthandwerk und Kunstgewerbe aus, bevor er auf die Werkstatt von Dörffers Vater Johann Baptist (beziehungsweise dessen Witwe) eingeht. Dörffers persönlicher Werdegang wird dann ebenso genau betrachtet wie sein Werk samt der von ihm verwendeten Marken, seinen Auftraggebern, einer Schaffenschronologie, seinen spezifischen Arbeitstechniken und seinem persönlichen Stil – nicht ohne ausführlich die zeitgenössische „Szene“ in den deutschen Zentren des Silberhandwerks sowie die englischen, französischen und Straßburger Hot Spots und Vorbilder einzublenden und im Anschluss, zugleich als Abschluss des gut 500 Seiten umfassenden ersten Teils, einen Blick auf die Nachfolge und die Söhne zu werfen und auch eine kunsthistorische Bewertung zu wagen. Es folgt in Teil B ein Verzeichnis mit 243 beziehungsweise 256 erhaltenen oder auch archivalisch nachweisbaren Werken Dörffers sowie seines Vaters und seiner Söhne auf knapp 260 Seiten.
Fest steht, Dörffer war als wohl bekanntester Goldschmied der Bischofsstadt, so kann der Autor überzeugend darstellen, zugleich ein findiges Vertriebsgenie und ein erfolgreicher Medien- und Marketingprofi. Er verstand es meisterlich, seinem kaufkräftigen, bürgerlichen Kundenklientel glänzend Profanes, gleichwohl Statusträchtiges wie repräsentative Leuchter, elegante Kannen und Kelche, zierlich durchbrochene Körbchen und Schälchen, dekorative Becher und standesgemäße Bestecke in Musterheften und -katalogen in Wort und druckgraphischen Abbildungen zu offerieren. Dabei bediente er sich neu aufkommender Journale („Journal des Luxus und der Moden“) und Magazine („für Freunde des guten Geschmacks ...“), aber auch Musterhefte und -kataloge, die ihn und auch das Publikum über Trends und Must-Haves des zeitgenössischen Tafelsilbers informierten. Das Ergebnis war ein modernes, am Kundengeschmack orientiertes Sortiment, das zum Teil unter Einbezug vorgefertigter Teile und Ornamente entstanden war. Für die Geistlichkeit fertigte er ein bisweilen eher traditionelles Kirchengerät wie Monstranzen, Messkelche, Ziborien, Reliquiare und vieles mehr. Sogar in Lokalzeitungen schaltete er entsprechende Annoncen – mit durchschlagendem Erfolg. Und wenngleich sich sein Œuvre heute auf Kirchen, Museen und in Privatbesitz im In- und Ausland verteilt findet, so hat sich doch eine beträchtliche Sammlung vor Ort im Museum für Franken erhalten.
Vom eher konservativen, noch mitunter barock beeinflussten Geschmack beim Kirchensilber zum Goût grecque, étrusque und égyptien oder dem Style Empire beim moderneren, dekorativen Tafelgerät – bis heute kann dank dieser großen Bandbreite jede und jeder ein persönliches „Lieblingsstück“ oder ein „Dörffer-Favourite“ finden … wie etwa das edle, in seiner Schlichtheit bestechend und fast zeitlos elegante Milchkännchen von 1805/10 mit kühn geschwungenem Birnbaumgriff auf dem Titel.
Erschienen ist das umfangreiche Werk von Heiko Braungardt mit seinen fast 800 Seiten und über 450 Abbildungen im renommierten mittelfränkischen Verlag PH.C.W. Schmidt als Band 91 der Mainfränkische Studien, die von den Freunden Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. herausgegeben werden. „Der Würzburger Goldschmied Georg Stephan Dörffer (1771–1824)“ kann mit der ISBN 978-3-949015-01-4 für 69,00 € (für Mitglieder 51,75 €) direkt beim Verlag PH.C.W Schmidt oder über den Buchhandel erworben werden.
Hermann Hage: Die Entstehung und Entwicklung der mennonitischen Gemeinde im Herzogtum Sachsen-Meiningen und in Franken, Mainfränkische Hefte 117
Dieses Buch erzählt die unbekannte und spannende Geschichte der fast 250 Jahre alten mennonitischen Gemeinde im westlichen Thüringen
und im östlichen Unterfranken. Die Mennoniten, aus den Täufern der Reformationszeit hervorgegangen, gehören heute zu den Evangelischen Freikirchen. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein dauerte der Prozess der religiösen und gesellschaftlichen Gleichstellung dieser Glaubensgemeinschaft. Aufgrund der zurückgezogenen Lebensweise ihrer Mitglieder blieben ihr Wesen und Wirken meist weitgehend im Verborgenen. Dennoch hat sie in vielen Regionen, so auch in Südwest- und Süddeutschland, bis in die heutige Zeit erkennbare Spuren in der Religions-, Sozial- und Landwirtschaftsgeschichte hinterlassen.
Zum Autor
Dr. Hermann Hage ist 1955 in Regensburg geboren und hat amisch mennonitische Vorfahren. Er studierte Geschichte, Germanistik und Sozialkunde in Regensburg und Erlangen. Aus dem gymnasialen Schuldienst wechselte er an die Volkshochschule der Stadt Regensburg. 2008/09 absolvierte er ein
berufsbegleitendes Promotionsstudium an der Universität Würzburg, das er mit einer Arbeit zur Geschichte der amischen Mennoniten in Bayern im 19. Jahrhundert abschloss. Nach Stationen als Leiter des Amtes für Weiterbildung und stellvertretender Kulturreferent ist er seit 2014 als berufsmäßiger
Stadtrat und Referent für Bildung in seiner Heimatstadt tätig.
Hermann Hage, Die Entstehung und Entwicklung der mennonitischen Gemeinde im Herzogtum Sachsen-Meiningen und in Franken, von Beginn der Einwanderung 1776 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts (= Mainfränkische Hefte 117), Neustadt an der Aisch 2021, ISBN 978-3-949015-02-1, Ladenpreis 29,00 €, für Mitglieder 21,75 €.
Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst, Band 72
Vor Ort, in der „Heimat“, regionale Individualität, verlustig gegangene Identität und „stille Größe“ im (un)scheinbar Kleinen und Gemeinsamen wiederfinden? Erkenntnis in Einkehr und Rückzug statt Abkehr vom Wesentlichen und Durchzug von globa(nal)em Einerlei? So etwa ließe sich der Tenor des Vorwortes von Daniel Karch im soeben erschienenen Mainfränkischen Jahrbuch 2020 der „Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V.“ zum denkwürdigen „Corona-Jahr“ 2020 weiterführen.
Zunächst folgt diesem nachdenklichen Auftakt ein Nachruf auf Hatto Kallfelz, den 2017 verstorbenen langjährigen Direktor des Staatsarchivs, Ehrenmitglied des Vereins und ehemaliger Schüler des bekannten Landeshistorikers Karl Bosl. Die umfangreichen Abhandlungen reichen auf knapp 200 Seiten und weit über 1000 Jahre hinweg chronologisch von Kilian und der Frühzeit des Bistums (Theodor Ruf, S. 13–94) bis in die 1930er Jahre zu den Erinnerungen des Komponisten Wilhelm Keilmann an seine Studienzeit am Konservatorium in Würzburg (Ulrich Konrad, S. 237–278). Was genau es denn mit dem heute nicht mehr geläufigen „Ausschusswesen“ im ehemaligen Hochstift nach Eibelstadter Aufzeichnungen oder auch mit dem „Bombardement von Würzburg“ im Mainfeldzug von 1866 auf Gemälden von Johann Wilhelm Cordes auf sich hat, das und die nötigen militärgeschichtlichen Hintergründe erfahren wir in den Beiträgen von Franz Schicklberger (S. 95–122) beziehungsweise Wolfgang Bühling (S. 123–148). Im Fokus stehen aber auch Persönlichkeiten wie die der Franziska Rosenberger im Behördenstreit der Memmelsdorfer „Handelsjuden“ nach dem Judenedikt von 1813 (Ina Karg, S. 149–173), die der Geschwister Amling auf gemalten Porträts im Museum für Franken (Wolfgang Kümper, S. 175–194) und die des Malers Johann Zick, besser gesagt dessen Humor und Erfindungsgeist in Fresken und einer geheimnisvollen „vertikalen kopernikanischen Planetenmaschine“ (Reiner Schulz, S. 195–236). Zum Ausklang zurück vom All zum Schall und dem Beitrag von Dieter Kirsch zur Rolle der Musik und ihrer Unterrichtung am Würzburger Gymnasium im 19. Jahrhundert (S. 279–310).
Die kürzer gehaltenen Miszellen im Anschluss behandeln die ungeklärte Herkunft des Barockbaumeisters Antonio Petrini (Margit Fuchs), das „Historische Lexikon Bayerns“ als landesgeschichtliches Nachschlagewerk (Bernhard Graf von Zech-Kleber), eine biographische Studie zu Anton Ruland (Stefan Peters) sowie das Script einer szenischen Lesung von Markus Grimm über diesen bedeutenden Würzburger Universitätsbibliothekar, Historiker und Handschriftenforscher, aber auch Theologen, Seelsorger und Landtagsabgeordneten. Diese Lesung hatte anlässlich des Festakts aus Anlass des 400jährigen Bestehens der Würzburger Universitätsbibliothek stattgefunden. Wie gewohnt folgen abschließend Anzeigen und Besprechungen zu den interessantesten (nicht nur regional-) geschichtlichen Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt sowie allerlei Wissenswertes aus dem Vereinsleben.
Der Band ist im Buchhandel erhältlich sowie bei der VDS-Verlagsdruckerei Schmidt (Nürnberger Str. 27–31, 91413 Neustadt an der Aisch, Tel.: 09161/8860-0, https://www.verlagsdruckerei-schmidt.de).
Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst, Band 72 (= Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg, Band 143), Schriftleitung Dr. Daniel Karch, Neustadt a. d. Aisch 2020, ISBN 978-3-949015-00-7, Ladenpreis 38,60 €, für Mitglieder 17,50 €.
Peter Kolb: Wappen in Würzburg, Mainfränkische Studien 90
Der Autor der Publikation hat im Jahre 1974 mit seinem Buch „Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe“ erstmals eine systematische Untersuchung über die rund 35 von den Würzburger Landesherren geführten Wappen vorgelegt. Die nunmehr präsentierte Darstellung der „Wappen in Würzburg“ zeichnet mit über 500 Exemplaren das heraldische Erscheinungsbild der Altstadt und der Festung Marienberg. Was also in Kirchen oder an ihren Außenwänden, an den Befestigungsanlagen in der Stadt oder auf dem Marienberg, an Gebäuden, Denkmälern oder auf der Alten Mainbrücke die Vergangenheit an heraldischen Zeugnissen hinterlassen hat, sollte der aufmerksame Betrachter in dem Buch finden.
Die Wappen wurden vom Autor auf der Basis fotografischer Aufnahmen mit einer digitalen Illustrationssoftware neu gezeichnet. Es versteht sich von selbst, dass zahlreiche Wappen mit erläuternden Anmerkungen versehen wurden und ein ausführliches Register die Suche des Lesers erleichtert.
Peter Kolb: Wappen in Würzburg (= Mainfränkische Studien 90), Würzburg 2019, ISBN 978-3-88778-572-7, Ladenpreis 28,00 €, für Mitglieder 21,00 €.